„Wein muss rein!“: Expertentipps für „beschwipste“ Gerichte


4. August 2021

Eins vorweg: Wer für die komplette Familie nebst Nachwuchs kocht, sollte auf die Zugabe von Wein, Champagner, Cognac und Co. besser verzichten. Dass der Alkohol beim Kochen und Backen verdunstet, stimmt nämlich nur sehr eingeschränkt. Das passiert zwar tatsächlich, es dauert allerdings eine Weile. Wie den Informationen auf Neunweine.de zu entnehmen ist, sind nach 30 Minuten Kochzeit noch rund 35 Prozent der ursprünglichen Alkoholmenge enthalten, nach einer Stunde etwa ein Viertel und nach zwei Stunden immer noch gut zehn Prozent. Ansonsten gilt jedoch: Gerne rein mit dem Wein!

Nicht nur Sterneköchin Léa Linster, die dem Thema ein eigenes Kochbuch gewidmet hat, schwört auf das „Würzen mit Wein“ und hält es mit dem französischen Meisterkoch Auguste Escoffier (1846-1935), der einst den Wein als „Seele vieler Saucen“ bezeichnete. Ob weiß oder rot, ob Champagner oder Likörwein, Wein sei eine wichtige Zutat in der Küche, betont Linster: „Suppen, Sülzen, Gemüse, herzhafte Gerichte mit Fleisch, Fisch und Desserts, vor allem aber Saucen erhalten ihren unverwechselbaren Geschmack durch Wein“, sagt sie. Die vielfach ausgezeichnete Küchenchefin weist aber auch darauf hin, dass Kochen mit Wein Fingerspitzengefühls bedürfe. Einige Regeln sind daher zu beachten, damit die „beschwipsten Gerichte“ auch tatsächlich zum ungetrübten Genuss werden:

1. Hände weg von billigem Fusel!
Eigentlich versteht es sich von selbst, dass sich mit schlechtem Wein kein gutes Ergebnis zaubern lässt. Daher sollte ausschließlich Wein zum Kochen verwendet werden, den man auch gerne trinkt. Wein mit einem Korkfehler darf allerdings ans Essen, wie Sven Reinbold von Weinfreunde.de ausführt: Für den Korkschmecker sei der flüchtige chemische Stoff TCA (2,4,6-Trichloranisol) verantwortlich, der im Kochprozess verdampfe. Grundsätzlich gilt: beim Kochen klassische Basis-Weine ohne vordergründige Holznote oder intensives Fruchtaroma und Weine aus dem Land wählen, das kulinarisch die Hauptrolle spielen soll.

2. Reduzieren lassen:
„Beim eigentlichen Garvorgang sollte der Wein deutlich reduziert werden“, rät Léa Linster. „Das bringt sein Aroma am besten zur Geltung, denn so konzentriert sich der Fruchtgehalt des Weins, während der Alkohol verdampft.“ Laut Portal Neunweine.de ist es dabei wichtig, den Wein bei kleiner Hitze einreduzieren zu lassen: „Gehe langsam vor und rühre am Ende der Reduktion mit einem Schneebesen ein Stück kalte Butter hinein. So erhältst du eine fantastische Soße, ob mit Rot- oder Weißwein“, so die Experten. Das Reduzieren kann während des Garens erfolgen oder beim Ablöschen.

3. Maßvoll einsetzen:
Wein ist laut Linster eine geschmacksintensive Zutat, die behutsam und vor allem maßvoll zu dosieren ist, um nicht andere Aromen zu überdecken. Neunweine.de gibt als Richtwert an, bei Gerichten mit reichhaltiger Soße etwa 200 bis 250 Milliliter Wein zuzugeben, zum Ablöschen eines Gerichts seien 100 Milliliter ausreichend.

Weitere Tipps:
Über diese Grundregeln hinaus gibt es für Léa Linster beim Kochen mit Wein einige bevorzugte Kombinationen: Trockener Wein gebe leichten und sahnigen Gerichten sowie Fisch die nötige Säure. Süßlicher Weißwein und Likör- oder Dessertwein harmonieren ihr zufolge mit Schweinefleisch, Geflügel und Kaninchen. Rotweine seien von Natur aus geschmacksintensiver als Weiße und passen laut Linster gut zu rotem Fleisch, Wild und dunklen Saucen.

Sven Reinbold von Weinfreunde.de hat weitere Tipps auf Lager: Wein lasse sich gut als Marinade für Fleisch einsetzen, da er durch die enthaltene Säure das Fleisch zarter mache, es vorgare. „Aber auch Gemüse lässt sich bestens in Wein einlegen“, so Reinbold, der Schalotten in Rot- oder Portwein schätzt. Fleisch und Gemüse lassen sich seinen Worten zufolge alternativ auch prima in einer Mischung aus Wein und Öl anbraten. Und wer Fleisch, Fisch oder Geflügel im Ofen zubereite, könne Wein zum Übergießen verwenden, und zwar pur oder als Gemisch mit geschmolzener Butter oder Fond.

Süß- und Dessertweine wiederum eignen sich, wie Reinbold betont, hervorragend zum Verfeinern von Desserts und Kuchen. Sherry mache sich etwa gut im Teig von Gebackenem, süßer Madeira perfekt auf Vanilleeis. (wig)

 Weitere Buch-Tipps gibt es übrigens hier.

Himbeere

Lecker zum Rind: Rotweinsauce. (Foto: HLPhoto/stock.adobe.com)

„Wein muss rein! Berauschend gute Rezepte“

von Léa Linster und Peter Gaymann

Ars Vivendi, 2015

176 Seiten,

24,90 Euro

Unser Fazit:
„Berauschend gute Rezepte“ versprechen TV-Köchin Léa Linster und Cartoonist Peter Gaymann, die 2015 mit „Wein muss rein“ nach „Das Gelbe vom Ei“ ihr zweites gemeinsames Kochbuch herausgebracht haben. Schon die Zusammenarbeit der beiden Meister ihres jeweiligen Fachs ist vielversprechend: Die Sterneköchin aus Luxemburg hat beschwipste Lieblingsrezepte mit einer übersichtlichen Zutatenliste zusammengestellt, die vergleichsweise einfach nachzukochen sind. Diese verbinden sich in dem kulinarisch-visuellen Gesamtkunstwerk wunderbar mit ebenso witzigen wie weinseligen Zeichnungen aus der Feder von Gaymann, der für sein „Huhniversum“ bekannt ist. Zu Seezunge mit Schampus-Krabben und Lauch-Linguine, Ente mit pikanter Glühweinsauce oder Nugat-Halbgefrorenem mit Krokant und Vin Santou beispielsweise gibt Linster überdies persönlich gefärbte Tipps, die kleine Einblicke hinter die Kulissen ihrer Küche erlauben. Zugleich finden sich Basisinformationen zum Kochen mit Wein, Champagner, Cognac und Co. in dem hochwertigen Buch, das eine heitere und informative Lektüre über den reinen Nutzen in der Küche hinaus verspricht. (wig)

Rezepte:

Artischockengemüse in Weißwein
(nach einem Rezept von Lea Linster)

Zutaten für vier Personen:
Saft von 1/2 Zitrone, 12 kleine violette
Artischocken mit Stiel (Nizza-Artischocken), 2 Schalotten, 1 mittelgroße
Karotte, 2 EL Olivenöl, 80 ml trockener Weißwein, 1/8 l Hühnerbrühe, 1 Zweig
Thymian, 1 Lorbeerblatt, Meersalz,
Pfeffer, 10 große Basilikumblätter,
natives Olivenöl extra zum Beträufeln

Zubereitung:
Den Zitronensaft in einer Schüssel mit kaltem Wasser mischen. Von den Artischocken die äußeren zähen Hüllblätter abzupfen, bis die hellen Innenblätter zum Vorschein kommen. Die Stiele schälen, die Knospen längs halbieren und ins Zitronenwasser legen. Die Schalotten schälen und in kleine Würfel schneiden. Die Karotte schälen und in dünne Stifte schneiden. Die Artischocken aus dem Zitronenwasser nehmen und abtropfen lassen. Das Olivenöl in einer Pfanne erhitzen. Artischocken, Schalotten und Karotte darin bei schwacher Hitze drei bis vier Minuten anschwitzen. Mit dem Weißwein ablöschen und sirupartig einkochen lassen. Dann die Hühnerbrühe dazugießen. Den Thymian waschen, trocken schütteln und mit dem Lorbeerblatt dazugeben.
Die Artischocken abgedeckt bei schwacher Hitze etwa zwölf Minuten schmoren lassen, bis sie weich sind. Dabei nach der Hälfte der Garzeit den Deckel abnehmen, damit die Flüssigkeit etwas verdunsten kann. Thymian und Lorbeer herausnehmen und das Gemüse mit Salz und Pfeffer abschmecken. Das Basilikum waschen, trocken tupfen und in feine Streifen schneiden. Das Artischockengemüse mit Basilikum bestreuen und auf vier vorgewärmten Tellern anrichten. Mit Olivenöl beträufeln und als Vorspeise oder als Beilage zu Huhn oder Kalbfleisch servieren. Dazu passt Sauvignon blanc oder Grüner Veltliner. (red)
Quelle: „Wein muss rein“

Mögen Weißwein: Artischocken. (Foto: Justyna Krzyzanowska)