Bio-Siegel für mehr Tierschutz?


28. Januar 2021
Tierschutz

Über eine Milliarde Tiere werden laut Naturschutzbund Nabu allein in Deutschland jährlich für den Fleischkonsum getötet. Solch eine Menge lasse sich nur in Massentierhaltung produzieren. Tierschutz steht dabei eher nicht an erster Stelle. Auch für möglichst billige Eier, Milch und Milchprodukte werden Tiere in Ställe gepfercht und sehen zeitlebens kein Tageslicht. Moderne Nutztierhaltung geht leider auch oft einher mit Tiertransporten quer durch Europa, dem schmerzhaften Ausbrennen der Hörner bei Kälbern, gekürzten Schnäbeln bei Geflügel, engem Kastenstand für Muttersauen, die sich wochenlang nicht hinlegen können, dem Töten männlicher Küken…

Das alles möchte bewusst sicher kaum einer, doch dem Nabu zufolge zählen Verbraucher in Deutschland nach wie vor zu den größten Schnäppchenjägern Europas. Wer hoffe, Qualität und ökologische Produktion von Fleisch zum Sparpreis zu bekommen, werde oft Opfer „nichtssagender oder schöngefärbter“ Produktbeschreibungen wie „regional“, „kontrollierter Anbau“, „traditionelle Rezeptur“, „Gourmet“. Für Billigpreise sei aber nur billige Massenproduktion möglich, „oft unter Ausbeutung von Menschen und Raubbau an der Natur“, unterstreicht Fiona Brurein vom Nabu Rheinland-Pfalz.

Etablierte Bio-Label garantieren hohes Tierwohl

Ihre Empfehlung: Produkte und Fleisch aus artgerechter Haltung mit einem Bio-Siegel wählen. Die Label Bioland, Naturland und Demeter garantieren auch laut Stiftung Warentest hohes Tierwohl. Für Bio-Qualität steht zudem das EU-Siegel mit dem grünen Blatt. Seit 2012 findet es sich auf allen Bio-Lebensmitteln, die in der EU gehandelt werden, so streng wie bei den genannten Bio-Siegeln sind die Kriterien jedoch nicht. Laut Stiftung Warentest könne man zudem dem Siegel Neuland Vertrauen: Der Verein Neuland wurde 1988 in Trägerschaft von Deutschem Tierschutzbund, Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) sowie der Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft gegründet. Landwirte, die ihre Tiere nach den Neuland-Richtlinien halten, produzieren zwar kein bio-zertifiziertes Fleisch, legen aber Wert auf eine besonders artgerechte Tierhaltung. Nicht zuletzt vergibt der Tierschutzbund Sterne in einem zweistufigen System für Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung.

Noch haben laut Nabu die Bio- und Neuland-Produkte nur einen Marktanteil von einem Prozent. Bei einer repräsentativen Umfrage des Landwirtschaftsministeriums gaben allerdings 89 Prozent der Befragten an, ihnen sei es „wichtig“ oder sogar „sehr wichtig“, dass tierische Lebensmittel aus besonders tiergerechter Haltung stammen. Darauf, dass Verbrauchern das Tierwohl offenbar wichtig ist, hat daher auch der Handel reagiert. Einige große Lebensmittelketten führten 2019 mithilfe der Initiative Tierwohl ein Wertungssystem ein, das sich an der Haltungsform orientiert und von Stufe 1 „Stallhaltung“ bis Stufe 4 „Premium“ reicht. Je höher die Stufe, desto teurer das Fleisch. Das führt Kritikern zufolge in der Praxis allerdings dazu, dass günstigere Produkte im Angebot weiterhin bevorzugt werden. Mitunter landen die teureren Qualitätsstufen so erst gar nicht in den Regalen.

 

Erzeuger aus der Region haben viele Vorteile

Auf Nummer sicher gehen Verbraucher, wenn sie bei Rind, Schwein, Lamm und Geflügel auf Erzeuger der Region zurückgreifen und sich von den Haltungsbedingungen persönlich vor Ort ein Bild machen. Es müssen aber noch nicht mal Biohöfe sein. Mancher nicht zertifizerte Züchter in der Pfalz hält seine Tiere auf der Weide und lässt sie vor Ort schlachten, was Stress für sie minimiert.

Tipp beim Eier- und Geflügelkauf: Mobilställe für Hühner, wie viele Biobetriebe sie inzwischen einsetzen, sind eine artgerechte Alternative. Und wer gegen das Schreddern männlicher Küken ist, kann den Produkten der sogenannten Bruderhahn-Initiative den Vorzug geben. Diese sind unter der Marke Haehnlein im Handel. „Haehnlein steht für das Kükenretten und den Bruderhahn“, informiert die Initiative. Statt die flauschigen Brüderchen der hoch spezialisierten Legehennen auszusondern und zu töten, werden sie mit aufgezogen, obwohl sie nur langsam und wenig Fleisch ansetzen, also wirtschaftlich keinen Gewinn bringen. Die Eier der produktiven Schwesterhennen werden zum Ausgleich dafür wenige Cent teurer verkauft.

Für ökologisch bewussten Fleischgenuss lohnt auch der Blick in die Natur. Artgerechter leben als Wild im Wald können Tiere wohl kaum, und wenn Rotwild, Reh und Wildschwein fachkundig erlegt wurden, sind Produkte daraus eine gute Alternative. Nicht unumstritten ist hingegen die Erzeugung von Straußenfleisch: Die Tiere eignen sich nicht für die Stallhaltung, haben auf der Straußenfarm daher immer viel Auslauf. Dennoch lehnt der Deutsche Tierschutzbund die nutztierartige Haltung von Wildtieren generell ab: „Auch wenn einige Straußenhalter versuchen, ihren Tieren gerecht zu werden, vertritt der Deutsche Tierschutzbund die Ansicht, dass eine tierschutzgerechte Straußenhaltung in Deutschland zum gegenwärtigen Zeitpunkt und unter den gegebenen Bedingungen nicht gewährleistet ist.“ Besser als dem bedauernswerten Rind, das mit gebrochenen Beinen nach einer weiten, qualvollen Reise in Litauen oder sonst wo am Kran vom Schiff verladen und zum Schlachter gekarrt wird, geht es den Straußen allerdings allemal.

 

Übrigens: Wer der Metzgerei vor Ort den Vorzug vor dem Supermarkt gibt, ist meist schon auf einem guten Weg: Der qualitätsbewusste Betrieb erklärt und dokumentiert sicher gerne, woher er sein Fleisch bezieht, wie die Tiere gehalten und wo sie geschlachtet wurden. Und er bürgt schließlich mit seinem Namen. (wig)

 

Weitere Themen, Tipps und Trends gibt es übrigens hier.

Pfälzer
Bezugsadressen:

Bio-Landwirte, die auf die Kreislaufwirtschaft setzen, halten für die Düngung ihrer Äcker mitunter auch selbst Vieh und produzieren Fleisch. Das sind etliche Höfe in der Pfalz, darunter beispielsweise …

Albessen: Hof am Weiher, 06384 7859, hof-am-weiher.de
Altleiningen: Neuhof Goyert, 06356 253, neuhof-goyert.de
Kerzenheim: Bioland-Hof Risser, 06351 6674, biohof-risser.de
Kleinniedesheim: Bioland-Hof Morgentau, 06239 3381, biolandhof-morgentau.de
Queidersbach: Biohof Leidecker, 0162 5420842, biohof-leidecker.de
Römerberg: Hofgemeinschaft Mechtersheim, 06232 8108484, hofgemeinschaft.de
Schindhardt: Biolandhof Kill, 06391 1564, baerenbrunnerhof.de
Völkersweiler: Galloway-Zucht Adelberg, 06346 928274, adelberg-galloway.de

Hof der Lebenshilfe
Wer Biogenuss mit sozialem Engagement paaren möchte, kann dies mit dem Einkauf auf dem Kleinsägmühlerhof der Lebenshilfe Bad Dürkheim in Altleiningen. Hofladen: Di/Fr 8.30-18 Uhr, Mi/Do 14-18 Uhr, Sa 8.30-12 Uhr, Info: 06356 9638-0,
lebenshilfe-duew.de/arbeit/bauernhof.

Gute Suchmaschine
Weitere Höfe, auch in der Pfalz, die Biofleisch produzieren, finden sich auf www.mein-bauernhof.de. Dort gibt es auch Filter, mit denen man gezielt nach dem Produkt seiner Wahl, etwa Rind, Schwein oder Geflügel suchen kann. Viele Höfe haben einen Online-Shop. (wig)